Am Anfang allen Hausbaues stand das Dach, das in seiner Urform aus Binsen, Blattwedeln, Grasplatten, Baumrinde oder Schilf als einfache, künstliche Abschirmung gegen die Unbilden der Witterung errichtet wurde und dessen Entstehung auf die mittlere Steinzeit zwischen 10000 und 3000 v. Chr. zurückgeht. Anfänglich als Spitzzelt ausgebildet, ergaben sich durch eine Verlängerung des Dachfirstes die geräumigeren Sattel- und Walmdachformen, deren etwa zehn bis vierzig Zentimeter hohe Ton-Nachbildungen als sogenannte „Dach-Urnen“ in den Gräbern dieser Frühzeit gefunden wurden und uns ein getreues Bild der ältesten Dacharten überliefern.
Um 3000 bis 2000 v.Chr. begann man, unter dem bisher direkt auf dem Erdboden stehenden Dach zunächst Außenwände hochzuziehen, das Dach dadurch höher zu setzen und später diese neu gewonnenen Räume durch Zwischendecken in Wohn- und Vorratsplätze zu unterteilen. Aus dieser Zeit stammen auch die Pfahlbauten, von denen Pfahlreste unter anderem noch in Schweizer Seen und am Bodensee erhalten sind. Aus dem Bedürfnis nach größerer Regensicherheit und zum besseren Schutz gegen Wind und Kälte entwickelten sich mit Lehm verstrichene Rohr- und Binsendeckungen und als weiterer Fortschritt luftgetrocknete Lehmplatten, die brettziegelartig verlegt wurden. Entscheidend für die ganze Entwicklung der Dacharten und ihrer Herstellung war zweierlei: Die klimatischen Verhältnisse und das örtlich von der Natur gebotene geeignete Material. Es würde zu weit führen, hier auf die früheren Baukulturen, z.B. am Nil und im Zweistromland Mesopotamien, einzugehen, die in diesen beiden entscheidenden Voraussetzungen unter völlig anderen Gegebenheiten standen, als sie in unseren Breiten vorlagen.
Soweit sich jedoch trotzdem bei solchen uns geschichtlich durchaus kulturfremden Völkern eine gewisse Ähnlichkeit, ja sogar gelegentlich Übereinstimmung mit unseren frühen Deckungsarten findet, liegt die Ursache darin, dass die Dachdeckerkunst letzten Endes immer und überall auf die gleiche einfache Grundabsicht zurückgeht: Das Regenwasser von Deckungsmittel zu Deckungsmittel auf dem schnellsten und sichersten Weg abzuleiten, ohne ihm Zeit und Möglichkeit zum Eindringen in den zu schützenden Raum zu lassen. Im einzelnen jedoch verlief die geschichtliche Entwicklung der Dachdeckungen sehr unterschiedlich, wobei erstaunlicherweise festgestellt werden muss, dass sich manches ältestes handwerkliches Können bis auf den heutigen Tag erhalten hat und neuzeitlich geltende Deckungsarten auf Jahrtausende hindurch vergessene Formen zurückgreifen. Keine Entwicklungsstufe des Dachdeckens ist jemals für immer verschwunden.
Mit Abschluss der dorischen Wanderung um 1200 v.Chr. setzt in Griechenland die Baukultur der Säulenhallen und Steinbauten ein. Etwa um 800 v.Chr. entstand das Rundziegeldach, dem als Vorbild die Rindendeckung diente, und 500 v.Chr. entwickelten die Griechen nach dem gleichen Prinzip die ersten Hohlziegeldächer. Ihre ursprünglichen Formen waren schwachrunde Muldenziegel, die auf Längssparren verlegt wurden und mit stärker gerundeten Deckziegeln nach oben abgeschlossen waren. Diese Deckweise ist der Vorläufer unserer heutigen Mönch- und Nonnenziegeldeckung. Schon zur damaligen Zeit kannte man das Verfahren, Hohlziegel in verschiedenen Farben zu engobieren. Neben den Hohlziegeln entstanden an den Längsrändern aufgekantete Planziegel, und aus diesen entwickelte sich dann später wiederum der sogenannte Krempziegel.
Die Griechen schufen im Laufe der Zeit ein technisch und ästhetisch weitgehend vollendetes Dach, das in Form und Aufbau mit allen Teilen des Gebäudes harmonierte. Die einzelnen Deckziegel waren in ihrer Breite durch den Abstand der Säulen bestimmt und jeder Stein mit einer Verzierung geschmückt, die der Anordnung der Deckung in der Dachfläche entsprach.
Der Falzziegel, den man um 1844 im Oberelsass neu konstruierte, war bereits eine Erfindung der alten Griechen, die nur im Laufe der Zeit wieder in Vergessenheit geriet. Bei der griechischen Ausführung zeigten die einzelnen Steine schon eine Überfalzung am Fußende und an einer Längsseite. Die Verlegung erfolgte, ganz im Gegensatz zur heutigen Art, nicht auf einzelne Latten oder Querhölzer, vielmehr wurden die Ziegel mit der Nase in eine dicke, durchgehende Lehmstroh- oder Mörtelschicht eingedrückt, die zugleich auch eine gute Wärmedämmung ergab. Als Material wurde für die Dachziegel, außer Lehm, bei sehr wertvollen Bauten auch geschnittener Marmor verwendet. Nur nebenbei sei erwähnt, dass in China und Japan noch heute nach dem gleichen, altüberlieferten Prinzip gedeckt wird. Später entwickelten die Römer die von den Etruskern und Griechen übernommenen Deckungen dahin weiter, dass sie auch Metallplatten, Biberschwänze aus Bronze – teilweise mit Goldüberzug – und Schiefer aufbrachten.
Leider sind die damaligen Verlegtechniken nicht überliefert, und es bleibt fraglich, ob schon zu dieser Zeit die Metallplatten in der Weise verarbeitet werden konnten, wie es heute bei uns üblich ist. Die Geschichte berichtet jedoch, dass 455 v.Chr. den Vandalen in Rom als hochwillkommene Beute das goldene Dach des Jupitertempels in die Hände fiel, und es steht fest, dass Kupfer, Blei und Tombak für Dachdeckungen Verwendung fanden und die pompejanischen Abdeckungen aus dünnen Marmor- und Schieferplatten hergestellt wurden. Auch die Tatsache, dass nach den Überlieferungen der Bibel schon unter König Salomon für den Tempelbau erhebliche Mengen Goldbleche und sonstige Erze mit großer Kunstfertigkeit verarbeitet wurden, lässt ohne weiteres die Annahme zu, dass die Römer die Technik der Metalldeckungen gut beherrschten.
Durch das Zeitalter der Völkerwanderung gerieten sehr viele handwerkliche Fertigkeiten in Vergessenheit und wurden erst im Mittelalter, teilweise auch noch später, wieder neu entwickelt.
Einer der ursprünglich wichtigsten Deckstoffe war das Rohr (Ried oder Reth), das erst vom 6. Jahrhundert an, wahrscheinlich als Getreide in größeren Flächen angebaut wurde, zusammen mit Stroh verlegt wurde, bis dann im Mittelalter das reine Strohdach im ländlichen Bauwesen vorherrschte. Dies lag vor allen Dingen daran, dass Stroh nach dem Dreschen ohne weiteres zur Hand war, während man Rohr erst am Teich schneiden und aufbereiten musste. Außerdem war das Strohdach regensicherer, wärmer und leichter. Zum Decken diente vor allen Dingen das 1 m lange Roggenstroh, wobei für die Einbindearbeiten Strohseile, Bindweiden oder Bandstöcke genommen wurden. Die Deckweisen waren in den einzelnen Landstrichen unterschiedlich und haben sich z.T. noch bis heute erhalten, wie z.B. die „Schwedische Deckart“.
Im 12. bis 13. Jahrhundert erfand man in Frankreich von neuem die nach der Römerzeit in Vergessenheit geratenen, muldenförmigen Tonziegel und um das Jahr 1300 den Biberschwanz, eine Deckung, die in Frankreich den Namen „Deckung des Grafen Heinrich“ trägt und in Deutschland zunächst als „Ochsenzunge“ oder „Zungenstein“ bekannt wurde. Von Frankreich aus brachten Mönchsorden die Ziegeldeckung mit ihrer Einwanderung nach Italien und Flandern und verschafften ihr hier große Verbreitung. Um 1400 kamen in Flandern dann die S-Pfannen auf, die man später als „Holländische Dachpfannen“ bezeichnete. In Deutschland indessen führte sich erst die Ziegeldeckung in größerem Umfange ein, zunächst mit Hohlziegeln, denen später die Biberschwänze, Holländischen Dachpfannen, Mönch und Nonnen- und als Zwischenform die Krempziegel folgten.
Die Dachdeckerei als selbständiges Gewerbe tritt erst mit dem Gedeihen des mittelalterlichen Städtebaues in Erscheinung, als die Landleute mit dem Ruf „Stadtluft macht frei!“ in die privilegierten Marktflecken zogen. Bis dahin wurde das Dach im allgemeinen in Selbst- oder Nachbarschaftshilfe gedeckt. Die Dachdecker („Tekken“), von denen erstmalig im 13. Jahrhundert die Rede ist, galten in den meisten Städten als „freies Gewerbe“; sie unterlagen also keinem Zunftzwang. Erstmals in Frankfurt bildeten im Jahre 1355 die Steindecker (Schiefer- und Ziegeldecker) eine eigene Zunft und ein Siegel aus dem Jahre 1614 zeugt von einer Dachdeckerzunft in der Prager Neustadt.
Nach dem Mittelalter entwickelten sich aus der Spaltbohle die Schindel. Für ihre Verbreitung war vor allem die billige Anfertigung von Nägeln Voraussetzung. Daneben bestand – und besteht noch heute – das Legschindeldach mit aufgelegten Querhölzern und Steinen zur Beschwerung. Gleich alt sind auch die jetzt nicht mehr benutzten Lehmschindel, die durch die Klöster eingeführt und bevorzugt wurden. Die Lehmschindel waren große, luftgetrocknete Lehmplatten von 60 cm Breite und 1 m Länge mit einem Gerippe aus langem Roggenstroh. Diese Platten wurden auf Rundholzsparren verlegt und dann die ganze Fläche durch einen zusätzlich aufgebrachten Lehmanstrich abgedichtet. Daneben kamen in gewissen Bereichen auch Steinplattendeckungen zur Anwendung, mit denen hauptsächlich die Dächer der Klöster und Burgen gedeckt wurden.
Von dieser Deckung hat sich zum kleinen Teil bis heute noch das sogenannte Solnhofener Dach erhalten, bei dem etwa 1 cm dicke Kalksteine in mehreren Lagen übereinander verlegt werden.
Zu erwähnen sind noch die seit langem bekannte Schieferdeckung und bei den Bauwerken der Gotik die großen Metalldeckungen der Domkirchen und Monumentalbauten mit Bleiplatten, später in zunehmendem Maße durch handgeschlagene Kupfertafeln abgelöst. Die größte Bleideckung dieser Art, die allerdings schon früher erstellt wurde, ist die der Kuppel des Petersdomes in Rom; das Meisterbauwerk Michelangelos.
Wenngleich sich die Herstellung von Metalldeckungen bis in die vorchristliche Zeit zurückverfolgen lässt, ist die Entstehung der Bauspenglerei in ihrer heutigen Form nur wenige hundert Jahre alt. Sie bildete sich aus den Gewerben der Grob-, Fein- und Kupferschmiede sowie der Werkstatt Spenglerei in ihrer früheren Form, in der seit alters her kupferne Gebrauchsgegenstände vom Kochkessel bis zum Reibeisen und von der Backform bis zur Badewanne angefertigt wurden. Voraussetzung für die Entwicklung der Bauspenglerei war vor allem die fabrikmäßige Herstellung gewalzter Feinbleche, aus denen preiswert Dachrinnen, Regenfallrohre und alle Arten von Dachanschlüssen gefertigt werden konnten.
Vielgestaltig wie seine Erzeugnisse ist auch die Berufsbezeichnung des Spenglers, der im offiziellen Sprachgebrauch Klempner und daneben in Süddeutschland und Österreich auch Blechner oder Flaschner genannt wird.
Über Jahrhunderte und Jahrtausende hat sich die allmähliche Entwicklung der Deckwerkstoffe und Deckarten hingezogen, erst dem 19. Jahrhundert war es dann beschieden, in rascher Reihenfolge die verschiedensten neuen Materialarten und Dachdeckungen hervorzubringen. In Stichworten sieht dieser Kalender etwa so aus:
Zweifellos ist diese Entwicklungsreihe noch lange nicht abgeschlossen. Gerade in den letzten Jahrzehnten kamen mit Erfindung der Kunststoffe eine Vielzahl bis dahin unbekannter Werkstoffe für Dachdichtungsbahnen, Wärmedämmungen, Lichtkuppeln und eine Reihe anderer Erzeugnisse auf den Baumarkt, die zum Teil in völlig neuartiger Bearbeitungs- und Verlegetechnik verwendet werden.Bedingt durch die sich ständig mehrenden Materialarten wird von dem heutigen Dachdecker und Spengler ein wesentlich umfangreicheres Wissen und vielseitigeres Können gefordert, als dies zuvor der Fall war. Das bisher erfolgreiche und bewährte Zusammenspiel von Überlieferung, handwerklichem Können, Wissenschaft und Technik wird sicher auch den künftigen Entwicklungen von Nutzen sein und dazu beitragen, das zeitlose Dach mit der Vielfalt seiner möglichen Formen in traditioneller und moderner Gestaltungsweise meisterlich herzustellen.